Marseille appartient à ceux
qui viennent de loin.
Spruch auf einem Plakat
Blick über den Vieux-Port zur Basilique Notre-Dame de la Garde
Vergiss New York, London, Hamburg und Berlin – meine neue Lieblingsstadt heißt Marseille. Die älteste Stadt Frankreichs empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein und Temperaturen von 37 Grad Celsius. Unser freundliches Hotel liegt direkt am alten Hafen mit seinem täglichen Fischmarkt, doch selbst hier fehlt jede Spur einer frischen Brise; vom Mistral ganz zu schweigen. Trotzdem ziehen wir unseren winzigen Balkon dem klimatisierten Zimmer vor und weihen ihn sofort ein: mit frischem Baguette, Rotwein und Käse – ein bisschen Klischee muss schließlich sein.
In den folgenden Tagen erkunden wir die Stadt mit verschiedenen Verkehrsmitteln: mit Taxi, Bus, Fähre und vor allem zu Fuß. Immer am Vieux-Port entlang mit seinen vielen Booten und Jachten geht es zum berühmten MuCEM, dem Musée des Civilisations de l'Europe et de la Méditerranée. Das Museum ist ein Meisterwerk des renommierten Architekten Rudy Ricciotti und korrespondiert bestens mit dem alten Fort Saint-Jean.
auf dem Außenrundgang des MuCEM mit seiner netzartigen Betonkonstruktion
Blick auf den Eingang des Hafens und das prachtvolle Palais du Pharo, das Napoléon III. seiner Eugénie schenkte
Der Petit Train Marseille, ein Touristenbähnchen, bringt uns zur Basilique Notre-Dame de la Garde. Mit ihrem 60 Meter hohen Turm und der monumentalen Marienstatue (die im Jahr 2025 leider eingerüstet ist) steht sie auf der höchsten Erhebung der Stadt und gilt als Heiligtum und Wahrzeichen von Marseille. Von hier bietet sich uns ein herrlicher Panoramablick über die Stadt und das leuchtende Blau des Meeres.
Über eine hölzerne Zugbrücke (ein Relikt aus der Zeit, in der hier eine Festung stand) erreichen wir die schlichte, in den Fels gehauene Krypta. Sobald man jedoch durch die schwere Bronzetür in die Oberkirche (Basilika) eintritt, "glaubt man sich in eine Mischkulisse von Klimt und Hundertwasser versetzt" behauptet mein Reiseführer. Stimmt!
Grundsteinlegung für diese Kirche im romanisch-byzantinischen Stil war 1853, aber erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde das letzte Steinchen der prächtigen Mosaike im Inneren gesetzt.
Das Bummeln durch die City ist wie eine Reise durch Gegenwart und Vergangenheit, wobei man letztere vor allem im Panier-Viertel erleben kann. Treppauf und treppab geht es durch Marseilles Altstadt, die auf den Resten der antiken griechischen Stadt Massalia erbaut wurde. Einst das Quartier der Fischer und Seeleute, lebt heute hier ein buntes Völkergemisch aus Franzosen, Italienern und Nordafrikanern bis hin zu Menschen von den Antillen und Komoren. Überall stehen Blumentöpfe vor den schmalen, farbenfrohen Häusern, und Ateliers, Galerien, Boutiquen und Cafés locken in die Gassen. Wer wie wir montags bereits um 10 Uhr morgens dort aufschlägt, hat wenig Chancen, viel davon zu sehen. Um diese Uhrzeit schläft das Viertel noch, strahlt aber einen besonderen Charme aus.
Ich erlebe Marseille, das ich vor genau 50 Jahren schon einmal besuchte, heute als aufregend, mediterran, kosmopolitisch, freundlich, kreativ und voller spannender Kontraste. Leider hindert uns die unsägliche Hitze an einer intensiveren Erkundung der Stadt, die noch so viel zu bieten hat.
Aber für eine Fahrt mit dem 83-er Bus längs der Corniche reicht die Energie noch, für den Einkauf der berühmten Savon de Marseille, die zu 72% aus Olivenöl besteht, für einen gemütlichen Pastis mit Panisses (Fritten aus Kichererbsenmehl) auf einem gemütlichen "Dorfplatz" im Panier-Viertel – und für die Verkostung der wunderbar-harten Navettes, einst Pilgernahrung und nun ein Keksklassiker.
Es muss auch nicht immer eine Bouillabaisse sein, die berühmte Marseiller Fischsuppe. Wer sich nicht für ein Lokal entscheiden kann, der sollte den neuen kulinarischen Treffpunkt "Les Grandes Halles du Vieux Port" besuchen. Seit 2022 bietet diese Gastro-Markthalle von französischen Austern über spanische Tapas und japanische Köstlichkeiten bis hin zur libanesischen Küche alles, was Herz und Magen begehren; zu meiner Freude sogar Vegetarisches. Und die freundlichen Sommeliers der Weinbar finden garantiert immer den passenden Wein dazu.
Das absolute Highlight waren für mich jedoch die Macarons, die wir in einem Café am alten Hafen genossen. Bessere und frischere habe ich nie gegessen.
Von 9 Uhr morgens bis Mitternacht geht es auf der riesigen Terrasse der Grandes Halles lebhaft zu.
In "Mein Marseille" schreibt Jean-Claude Izzo:
"Diese Stadt ist ein offenes Tor, offen zur Welt, offen zum Nachbarn. Ein Tor, das sich nie schließen wird. Marseille ist Vielfalt. Viele Kulturen, viele Völker, tausend Geschichten. Hier ist Verdi gleich populär wie Bob Marley. Hier wird in vielen Sprachen gesprochen, gesungen, geträumt. Woher man auch kommt - in Marseille ist man zu Hause."
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
© 2025
oder vielleicht noch etwas anmerken:
"Blula" (Dienstag, 26 August 2025 10:04)
Hallo Beate,
wie sehr ihr von diesen Tagen in Marseille begeistert ward, das liest man hier tatsächlich in jeder Zeile. Prima. Selbst die leider so große Hitze konnte euch nicht davon abhalten, möglichst viel mitzunehmen... vom Flair, vom lebendigen Leben der Stadt, ihrer Vielfalt und den kulinarischen Genüssen.
Ein feiner, aber doch so inhaltsreicher Kurzbericht ist das, der einen richtig mitnimmt.
Hedi (Montag, 25 August 2025 14:43)
Liebe Beate,
Da möchte man am liebsten auf der Stelle ... wenn es nur nicht so heiß wäre.
Deine Fotos sind immer schön, aber diese sind es ganz besonders. Ein Netzgitter aus Beton!
Ja, ich war auch schon im Vieux Port, aber ein paar Tage mehr hätte ich gut vertragen können.
Danke wieder einmal für den schönen Bericht!
LG Hedi