Wiedersehen mit Costa Rica

Geschichten aus einem spannenden Land

 

 Vorwort

 

Costa Rica … 2010 war es für mich Liebe auf den ersten Blick. Natur … Menschen … Essen … ich fühlte mich hier sofort wohl. Dann geriet das Land etwas in Vergessenheit, aber nach 12 Jahren rief es erneut und ziemlich laut, und wir brachen auf zu einer dreiwöchigen Rundreise per SUV.

 

Um das vorwegzunehmen: die 12 Jahre sind natürlich nicht spurlos an dem Land vorübergegangen. Zwar ist Costa Rica noch immer relativ sicher und politisch stabil; "eine Art zivilisierter Urwald", wie das einmal jemand beschrieb. Mehr als ein Viertel des Landes ist Naturschutzgebiet, und Costa Rica lebt vor allem von der Schönheit dieser Natur – und vom Tourismus. Seit 2019 (also noch vor Corona) nahmen die Buchungen um 170% zu, und das spürt man überall.

 

Positiv ausgedrückt: hier findet jede/r etwas für seine Vorlieben; von Rad- und Quadfahren über Mountainbiking und Surfen, Rafting und Kajakfahren, Tauchen und Reiten bis hin zu Sportfischen, Zip Lining, Gyrocopter fliegen und Paragliding, Fallschirmspringen und Ballonfahren, um nur einige zu nennen.

Am Vulkan Arenal locken Thermalquellen zum Baden und Entspannen, Familien sind gern gesehene Gäste, und vor allem Naturliebhaber kommen hier auf ihre Kosten. Costa Rica bietet Wanderungen durch den Regenwald und Dschungelexpeditionen, Nachttouren, Hängebrücken und Aerial Trams mit schier grenzenlosen Möglichkeiten zur Beobachtung von Flora und Fauna.

 

Negativ ausgedrückt: in manchen Orten ist es ziemlich rummelig: der 10.000-Einwohner-Ort La Fortuna beispielsweise scheint nur aus Werbeschildern für angebotene Touren und Freizeitvergnügen zu bestehen, und am Surferstrand bei Dominical reihen sich gefühlt kilometerlang die Stände mit Souvenirs und Touri-Kitsch aneinander: Schmuck, Schnitzereien, Taschen, T-Shirts und Bikinis. Bunte Badetücher und Pareos flattern zu Hunderten im Wind.

 

 

Aber da gibt es auch noch die Dschungel-Lodges, die bequemste (und von uns bevorzugte) Art, den Urwald kennenzulernen. Auch, wenn die Anreise manchmal etwas beschwerlich ist, ist es lohnend, sich hier einzuquartieren.

In meinem Reiseführer liest sich das so: "Mit etwas Glück beobachten Sie schon vom Frühstückstisch aus exotische Schmetterlings- und Insektenarten, Tukane, Kolibris, Nasenbären und Äffchen. Anschließend machen Sie unter fachkundiger Begleitung per pedes, Einbaum oder Paddelboot eine kleine Dschungeltour. Sie sehen Schildkröten, Krokodile, Faultiere, Mahagoni- und Kapokbäume, Würgefeigen, Bromelien und Orchideen."

 

Doch noch ist es nicht so weit; erst einmal fliegen wir 12 Stunden lang von Frankfurt nach San José, der Hauptstadt Costa Ricas.  

 

 

1. San José. Ein etwas holpriger Start

 

Das Hotel Presidente punktet u. a. durch seine unschlagbare Lage in der Innenstadt, nur wenige Gehminuten von Kulturinstitutionen, Museen, Märkten, Theatern und Parks entfernt, und wir nutzen den ersten Tag, um die Hauptstadt des Landes kennenzulernen und uns zu akklimatisieren.

 

"Akklimatisieren" heißt für mich auch, mein ziemlich eingerostetes Spanisch wieder zu aktivieren. Ein erster Versuch dazu soll der Einkauf von Briefmarken auf dem Hauptpostamt der Stadt werden, denn "nur hier können Sie Briefmarken kaufen" weiß ich aus meinem Reiseführer. 

 

 

Das Hauptpostamt von San José ist ein imposantes Kolonialgebäude, aber innen wirkt es auf mich eher wie Fort Knox. Gleich am Eingang empfängt mich ein Uniformierter und möchte, dass ich meine Temperatur messe. Ich gehe ein paar Schritte weiter und werde von zwei Sicherheitsbeamten abgefangen: was ich hier wolle? Nun, Briefmarken kaufen, natürlich. Die beiden erweisen sich dann doch als recht freundlich und führen mich in eine hintere Ecke des riesigen Innenraums. Und dort beginnt das Drama.

Die hübsche, junge Tica (als Tica bzw. Tico bezeichnen sich die Costa Ricaner selbst) hinter der Scheibe des kleinen Schalters versteht kein einziges Wort Englisch. "Gute Übung für mich!" denke ich und bestelle fröhlich 20 Briefmarken für Ansichtskarten nach Deutschland. Die Lady hinter dem Schalter erklärt mir jedoch, so einfach sei das nicht. Der Preis für die Ansichtskarten richte sich nach deren Größe, und ich soll ihr die Karten doch einfach mal zeigen. Kann ich natürlich nicht, denn ich habe noch keine gekauft. Aber sie soll mir dann halt die teuersten Marken für Ansichtskarten verkaufen, stottere ich.

Das versucht die Postangestellte auch und reißt mit einer Engelsgeduld 20 Briefmarken von einem Bogen auseinander. Reicht sie mir über die Theke und zeigt mir das Display ihres Taschenrechners. 33.700 Colones stehen dort; knapp 50 Euro. Hilfe! Ich wollte doch nicht das ganze Postamt kaufen!

Da ich nun aber schon mal hier bin, reduziere ich meine Bestellung auf 10 Exemplare und rufe nach meinem Reisebegleiter, der genug Colones dabeihat, denn im Unterschied zu allen anderen Geschäften nimmt die costa-ricanische Hauptpost keine US-Dollars.

 

Ich muss der freundlichen Tica wohl leidgetan haben mit meinen mangelnden Sprachkenntnissen und in meiner Bredouille, denn nun zeigt sie mir die Marken und erklärt wortreich, wie schön sie doch seien und in meiner Heimat bestimmt heiß begehrte Sammlerstücke. Und dann schenkt sie mir noch eine Postkarte.

 

 

Zur Entspannung von diesem ersten Abenteuer steuern wir den Parque Marazán in der Nähe an und setzen uns auf eine Bank. Und dort sehe ich mir die Briefmarken noch einmal genau an. ₡685 steht darauf, also 685 Colones. Demnach hätten meine 10 Marken 6.850 Colones kosten müssen; bezahlt habe ich aber 16.850. Und ich bin jetzt ziemlich sicher, die junge Postlerin hat einfach nur ihren Taschenrechner falsch bedient – aber wie hätte ich ihr das jemals erklären sollen?  

 

 

2. Laguna Lodge Tortuguero. Unsere erste Nachtwanderung

 

Der Tortuguero Nationalpark und die Ecotourism-Lodge sind nur auf dem Wasserweg zu erreichen, und so schiffen wir uns nach einem Bustransfer über Guápiles in La Pavona ein und lassen uns zu unserer Lodge transportieren. Etwa anderthalb Stunden dauert die Fahrt und bietet einen ersten Einblick in Flora und Fauna des Gebietes: üppige Vegetation reicht bis ans Ufer, auf im Wasser liegenden, abgestorbenen Baumstämmen trocknen Schlangenhalsvögel ihr Gefieder, Schmetterlinge flattern vorbei, und eine Schildkröte döst auf einer Sandbank in der Sonne.

 

 

Die Laguna Lodge liegt auf einem schmalen Landstrich zwischen der Tortuguero Lagune und dem karibischen Meer und verfügt über einen direkten Zugang zu dem naturbelassenen Strand, der von Juli bis September mehreren Schildkrötenarten als Brutstätte dient.

Wir nehmen unseren Plan für die nächsten Tage entgegen (einige Ausflüge und Aktivitäten sind inkludiert, andere kann man dazubuchen) und beziehen unsere komfortable Hütte, die in einer Reihe mit einer Handvoll von anderen in einem üppig blühenden Garten steht; Veranda mit Schaukelstuhl vor der Tür. 

 

 

Unser erster Bootsausflug geht zum Dörfchen Tortuguero, das vom Tourismus lebt. Der ganze Ort besteht aus Shops und Restaurants, dazwischen ein paar bunte Wohnhäuser mit Hängematte davor, schlafende Hunde und eine im Gras herumpickende Hühnerfamilie. Wir überlassen den anderen das Shopping und finden uns bald im ersten Stock einer Kneipe wieder - mit großartigem Blick über den Fluss und einer Caipiriña in der Hand. Die beste, die ich jemals getrunken habe. Pura Vida.

Für diejenigen, die noch nie etwas davon gehört haben: La Pura Vida (das pure Leben) ist der Lebensstil der Ticos und ihr Geheimnis für ein glückliches Leben im Einklang mit der Natur.  Die erste und oberste Grundregel dabei lautet: "Tempo runterschrauben und den Moment genießen." Im Laufe der nächsten Wochen werden wir lernen, diese Regel immer besser zu befolgen.

 

Nach einer "Nacht voller Tierlaute und Regen" (O-Ton Beates Reisetagebuch) sitzen wir am nächsten Morgen in dem offenen Restaurant direkt am Kanal, und ich genieße mein "desayuno típico", das costa-ricanische Frühstück mit Gallo Pinto (Reis und Bohnen), mit Spiegeleiern und yuca, wie man den Maniok hier nennt. Und mit Unmengen des hervorragenden einheimischen Kaffees. 

 

 

So gestärkt geht es dann auf eine Bootstour durch den Nationalpark, wo wir kleine Krokodile beobachten, Vögel, Leguane, Spinnen und Schlangen. Und wo wir von einem gewaltigen Regenschauer überrascht werden, mit dem wir nicht gerechnet hatten; schließlich fuhren wir bei allerbestem Wetter los.

 

Allerbestes Wetter herrschte auch, als wir kurz vor Sonnenuntergang mit guide Jonathan zu einem "garden walk" aufbrachen, also einer Wanderung durch das weitläufige und naturbelassene Gelände der Lodge. In der Dunkelheit und bei einsetzendem Regen findet Jonathan dann auch einen kleinen Rotaugenlaubfrosch und erklärt jedem einzelnen aus unserer Gruppe genau, wie der Frosch sich verhält und wie man ihn am besten fotografiert.

Der Regen wird immer stärker, so dass mein Reisebegleiter und ich auf die weitere Exkursion verzichten und uns – mittlerweile völlig durchnässt – auf kürzestem Weg zurück in unsere Hütte begeben. Dort notiere ich in meinem Tagebuch:

"Wir sind sooo doof! Schleppen ein Fernglas mit, Regenponcho, Regenjacke und ein Raincover für den Daypack … und vergessen dann, das Zeugs auf unsere Ausflüge mitzunehmen."

 

Ja, irgendwie sind wir noch nicht so richtig im Entdeckermodus.

 

 

3. Maquenque Eco Lodge. Zwischen Baumhaus und Bauernhof

 

Umgekehrte Reihenfolge: ein Boot der Laguna Lodge bringt uns zurück nach La Pavona, ein Bus wieder nach Guápiles, und dort übernehmen wir unseren SUV für die nächsten 11 Tage.  

Damit sind wir motorisiert und können endlich wieder selbständig reisen.

  

An costa-ricanische Adressangaben muss man sich allerdings erst gewöhnen. Viele Ortsnamen gibt es mehrmals im Land, dafür aber weder Straßennamen noch Hausnummern. Stattdessen werden Landmarken wie Parks, Kirchen, wichtige Gebäude und Geschäfte zur Wegbeschreibung genutzt. Die Adressen werden dann in Metern und Himmelsrichtungen in Bezug auf die nächste Landmarke angegeben. Kein Problem für die Einheimischen.

Und fragt man einen Tico nach dem Weg, so bekommt man Sätze zu hören wie "Immer geradeaus, nach der zweiten Kurve an dem grünen Haus links abbiegen, dann nochmal links, und dann siehst du schon den alten Mangobaum, da musst du nach rechts …"

Aber zum Glück haben wir ja ein Navi und die GPS-Daten der von uns vorgebuchten Lodges. Obwohl … diese Koordinaten erweisen sich nicht immer als zuverlässig, so dass wir zusätzlich auch noch unsere Handy-Apps zur Ortung nutzen müssen. Ein Lob auf die moderne Technologie!  

 

Obwohl die Asphaltstraße unvermittelt in eine Schotterstraße übergeht, und die Gegend immer ländlicher und einsamer wird, finden wir die Maquenque Eco Lodge auf Anhieb. Dafür ist das Einchecken ziemlich ungewöhnlich. In Kurzform: man parkt auf einem kleinen Platz, ruft von einem dort stehenden (Haus-)Telefon aus die Rezeption der Lodge an und wird dann per Boot abgeholt. Ein kleiner Preis für die wunderbar abgelegene Lage der Lodge auf der anderen Seite des Rio San Carlos, mitten im Maquenque National Wildlife Refuge.

 

 

Die Lodge verfügt über 68 Hektar Regenwald, ist der ideale Ort für Naturliebhaber und unser erstes absolutes Highlight der Reise. Zu unserer Freude haben wir tatsächlich für eine Nacht das "Tamarindo" buchen können, eines der acht Baumhäuser, die in 12 bis 14 Metern Höhe im Regenwald versteckt sind. 56 Stufen hoch zum Glück.

 

 

Unsere Koffer schleppt ein netter Angestellter hoch, und wir brauchen nur noch genießen. Terrasse mit Hängematte und überwältigendem Ausblick, riesiges Zimmer mit Kühlschrank und Kaffeemaschine, ein Bad mit Dusche, in dem Solarzellen fließendes Warmwasser liefern. Der absolute Hit ist jedoch die Außendusche, die ich sofort nach Ankunft ausprobieren muss: ein Traum zwischen Baumriesen mitten im Regenwald!

 

Am nächsten Morgen sitze ich um 6 Uhr im Bett; Brüllaffen haben mich geweckt. Neben mir ein frisch gebrauter Kaffee, vor mir der Regenwald. Ohne Glasscheiben, nur ein Fliegengitter trennt uns. In etwa drei Metern Entfernung ein Tukan-Pärchen. Die letzten Dunstschleier. Zikaden, Vogelrufe, ein Schwarm krächzender Papageien. Und der Regen tropft auf unser Dach. Gemütlich.

  

Ehe wir in eine der 15 Hütten mit Terrasse und Blick auf die natürliche Lagune umziehen, genießen wir ein kräftiges Frühstück – und mit uns Tukane, Papageien, Tauben und viele andere, buntschillernde Vögel. Knapp 900 Arten gibt es davon in Costa Rica, und hier in Maquenque hat man bis jetzt 592 identifiziert. Ein perfekter Ort für Ornithologen und Birdwatcher. Mir ergeht es wie diesen Vogelbeobachtern mit ihren Spektiven und Teleobjektiven; ich komme kaum zu meinem Frühstück, denn immer wieder neue Arten von Gefiederten tun sich an den ausgelegten Bananen und Papayas gütlich. Wie wir später auf dem "Rainforest Walk" von unserem guide erfahren, werden diese Früchte hier extra für die Vögel angebaut. 

 

 

Für den letzten Morgen haben wir in der Lodge die "Don Eduardo farm and chocolate tour" gebucht. Don Eduardo versorgt mit seiner biologisch und nachhaltig bewirtschafteten Farm die Lodge und produziert etwa 70% dessen, was dort verbraucht wird.

Schon als kleiner Junge lebte er hier mit seinen Eltern auf der Farm; lange, bevor es die Lodge gab. Und so führt er uns jetzt voller Stolz herum, zeigt uns seine Tiere, das Gewächshaus, den Obstgarten und die Felder. Unglaublich, wie viele verschiedene Sachen Don Eduardo hier anbaut und produziert. Wir riechen an den verschiedensten Kräutern, trinken frisches Kokoswasser und essen das Fruchtfleisch, wir verkosten Käse und helfen, Zuckerrohr zu pressen. Der Saft schmeckt köstlich; gerne auch mit einem Schluck Hochprozentigen.    

Es ist eine richtig schöne, familiäre Tour, denn wir sind nur drei Teilnehmer, und unser guide und Dolmetscher ist ein Sohn von Don Eduardo. Herzerwärmend, mit anzusehen, wie respektvoll und liebevoll Vater und Sohn miteinander umgehen.

Der charmante Don Eduardo verabschiedet sich von uns – nicht, ohne mir einen kleinen Blumenstrauß gepflückt und eine gelbe Blume hinters Ohr gesteckt zu haben – und überlässt uns seinem Sohn und einem Angestellten, damit wir sehen und lernen, wie der Kakao hergestellt wird. Wenn die Samen geerntet sind, werden sie fermentiert, getrocknet und geröstet. Sodann von ihren Schalen befreit. Dabei dürfen wir wieder helfen, genauso wie beim anschließenden Mahlen, einer schweißtreibenden Angelegenheit. Und dann bereitet der Farmarbeiter für uns zwei verschiedene Arten von Kakao zu, beide statt mit Zucker mit verschiedenen Gewürzen und beide köstlich. Ein wahrer Göttertrank.

  

Obwohl unsere Klamotten während der Tage in Maquenque nie richtig trocken werden, verlassen wir nur ungern dieses kleine Paradies aus schöner Lodge und gastfreundlicher Farm. Aber das Land will weiter entdeckt werden.

 

 

4. Kontrastprogramm "Arenal Springs Resort & Spa" 

 

 

 

Nachdem der Vulkan Arenal jahrhundertelang geschlafen hatte, erwachte er am 29. Juli 1968 mit einem gewaltigen Ausbruch, der 78 Menschen das Leben kostete. In den darauffolgenden Jahrzehnten war der Arenal mit zahlreichen Eruptionen und einem ständigen Lavafluss einer der aktivsten Vulkane der Welt, aber am 24. Mai 2010 erfolgte ein letzter stärkerer Ausbruch, und in den folgenden Monaten versiegten langsam seine Lavaströme.  

Der Vulkan schweigt noch immer, aber geblieben sind die luxuriösen Thermalbäder an der Nordseite des Vulkans, die ihre Existenz dem Berg verdanken, und die er immer noch zuverlässig mit Warmwasser versorgt. (Quelle: "Costa Rica Highlights" von Gabi und Klaus Heller)  

 

Auf dem Weg zu unserem Hotel werden wir von ziemlich aufgeregten, jungen Leuten angehalten, die uns bedeuten, den in der Nähe liegenden Parkplatz anzufahren. Wir sind verwirrt, denken zuerst an einen Unfall mit Straßensperrung, aber dann erkennen wir, dass es sich nur um "Kundenfänger" für eines der Thermalbäder handelt. Wir sollen ihren Kollegen in den nächsten Tagen noch des Öfteren begegnen.

Eine sich traurig anhörende "Geschäftemacherei als Folge des Massentourismus" bezeichnete das treffenderweise eine Freundin – und meinte weiter: "Den Einheimischen muss man die Einnahmen aus dem Tourismus gönnen und selbst das Beste für sich rausfiltern." So ist es.

 

Wir verzichten leichten Herzens auf das Gewusel vor und wahrscheinlich auch in den Bädern, denn für die nächsten drei Nächte haben wir ein Hotel gebucht, das über eigene Thermalquellen verfügt.

 

Die heißen Quellen des Resorts, die vom Vulkan und seinen unterirdischen Flüssen gespeist werden, sind reich an gelösten Mineralien wie Calcium, Magnesium und Chlorid und tun nicht nur der Haut gut, sondern entspannen auch Geist und Körper, regen den Kreislauf an und sorgen für einen guten Schlaf, wirbt das Hotel.

 

 

Das muss ich natürlich ausprobieren, und während mein Reisebegleiter zu einer Quad-Tour aufbricht, werfe ich mich in den Badeanzug und erkunde den Poolbereich. Die Anlage ist sehr schön und so angelegt, dass man sich vorkommt wie an einem natürlichen Thermalfluss mitten im Regenwald. Tropische Gewächse umgeben das Schwimmbecken und die die vier Thermalpools, deren Temperatur von 34 bis 39 Grad reicht, Wasserfälle bieten eine natürliche Massage und ein Whirlpool die pure Entspannung.

Aber keine Rose ohne Dornen: ich bin wohl nicht früh genug am Pool aufgekreuzt, denn alle Sitz- und Liegemöglichkeiten im Schatten sind schon belegt. Uns Deutschen wird ja nachgesagt, dass wir Weltmeister darin sind, stundenlang Liegestühle am Pool mit Handtüchern zu blockieren, aber andere Nationen können das ebenso gut. Nur benutzen sie weniger Handtücher, sondern Bücher und Sandalen, Sonnenlotion oder halb leergegessene Teller.

So werfe ich dann auf meiner Suche nach Schatten nach zwei vergeblichen Umrundungen der Poollandschaft das sprichwörtliche Handtuch und begebe mich an die "Wet Bar" inmitten des größten Pools. Ich setze mich auf einen der großen, runden Flusssteine, die als Hocker dienen, bestelle mir einen Drink und stelle wieder einmal fest, dass Wellness und Spa irgendwie nicht mein Ding sind. Und bis zum Bauch im Wasser an einer Bar sitzen erst recht nicht.     

 

Am nächsten Tag habe ich Geburtstag, und mein Reisebegleiter schlägt einen kleinen Ausflug um den Arenal-See vor. Der kleine Ausflug entwickelt sich dann allerdings zu einem ziemlich großen, denn der Weg windet sich in unzähligen Kurven um den See und ist wegen immer wieder unvermutet auftauchenden Schlaglöchern auch nicht besonders schnell befahrbar. Etwas, das wir von fast allen Straßen, die wir bis jetzt befahren haben, kennen. Dafür winkt am Ende dieser Straße aber die "German Bakery" mit Kaffee und Kuchen.

 

Wir haben im Lauf der Jahre schon einige sogenannte "German Bakeries" in den verschiedensten Ländern aufgesucht, von Indien über Namibia und Australien bis nach Kanada, und alle ähneln sich irgendwie. Aber diese hier überzeugt mich mit ihrem rustikalen Backpacker-Charme; ein wunderbarer Kontrast zu unserem noblen Hotel. Und der Apfelstrudel ist auch genießbar.

 

 

Eines meiner Geburtstagsgeschenke von John war ein großzügiger Gutschein zum Einkauf in der gut sortierten Hotelboutique. Leider bin ich nun aber kein großes Shoppingtalent, und der angebotene Kram von Klamotten und Hüten über Tassen, Schnitzereien, Plüschtiere und anderen Schnickschnack bis hin zu Büchern und Schokoriegeln ließ mich ziemlich kalt. Aber ich hatte ja auch noch keine Ansichtskarten, sondern lediglich die 10 berühmten Briefmarken aus dem Correo Central in San José.

Also stürzte ich mich auf die Postkartenständer, suchte 20 Karten aus und ließ mir dazu für 10 Karten Briefmarken geben. Die gibt es also doch nicht nur auf dem Hauptpostamt der Hauptstadt, wie der Reiseführer mir weismachen wollte; das hatte ich mir schon gedacht.

 

Und dann sitze ich stundenlang da und versehe die Karten mit Adressen und möglichst individuellen Texten. Alle 20. Schnell vor dem Abendessen noch an der betriebsamen Rezeption abgeben – fertig.  

 

Das dicke Ende soll jedoch noch kommen. Als die Karten nach einem Monat noch immer nicht in Deutschland angekommen sind, schreibe ich eine freundliche Nachfrage an das Hotel. Die ebenso freundliche Antwort erhalte ich einen Tag später vom "Jefe de Recepción": man nehme an der Rezeption nie Karten entgegen, sondern verweise die Gäste auf den aufgestellten Briefkasten.

Nun, da hatte man mit mir wohl mal eine Ausnahme gemacht …

Groß sind allerdings Überraschung und Freude, als dann nach fast sieben Wochen die Karten doch noch in Deutschland ankommen. Ich denke mal, die lagen irgendwo an der Rezeption herum, und niemand fühlte sich dafür verantwortlich.  

 

 

5. Celeste Mountain Lodge. Erlebnis Regenwald

 

Die Strecke vom Arenal an den Rand des Tenorio Volcano Nationalparks ist nicht besonders lang, und für den Check-in in der dortigen Lodge sind wir viel zu früh – ein Grund für uns, unterwegs in einer gemütlichen Soda Mittagsrast zu machen. Die costa-ricanischen Sodas sind kleine Restaurants, oft am Straßenrand gelegen, die traditionelles Essen zu sehr erschwinglichen Preisen servieren und meist von Einheimischen aufgesucht werden.

Aus der offenen Küche duftet es verführerisch nach Casado, einem gängigen Mittagsgericht mit Reis und Bohnen, Gemüse, Kochbananen und Fleisch. Nicht unbedingt etwas für eine Vegetarierin. In meinem immer besser werdenden Spanisch erkläre ich dies der freundlichen Köchin, die daraufhin nur bedauernd den Kopf schüttelt. Ohne Fleisch … gibt's nicht! Ich nehme es sportlich und vertilge zwei Päckchen Kartoffelchips zu einer Flasche Cola. Gar nicht mal so schlecht; so etwas hatte ich schon seit Jahren nicht mehr.

    

 

Aber auch dieser Tica tue ich wohl leid, denn nach einiger Zeit erscheint sie mit einem Schüsselchen Kartoffeln. Ich solle sie doch einfach mal probieren, sie habe noch mehr davon. Die Kartoffeln schmecken hervorragend, was ich der Köchin auch wortreich zu verstehen gebe. Dies wiederum veranlasst sie, zur Höchstform aufzulaufen, und sie serviert mir ein weiteres Schüsselchen Kartoffeln, dazu eine Portion Reis und eine Portion Bohnen. Hilfe! Das ist zwar total lieb, aber so viel kann ich eigentlich nicht mehr essen. Ich verzehre trotzdem anstandshalber eine Portion. In diesem Moment erscheint zum Glück Bobby, der liebenswerte Haushund. Und die Señora erlaubt mir großzügig, den Rest meiner Mahlzeit in die Hundeschüssel zu kippen. Danke, Bobby - und ¡buen provecho! Du hast mich gerettet!   

 

Am frühen Nachmittag checken wir in der Lodge ein und wollen erst einmal in unser Zimmer, den Koffer abstellen, die Schuhe ausziehen und in Ruhe ankommen. Aber das ist hier nicht vorgesehen: zuerst müssen wir uns einen gefühlt einstündigen Vortrag über die Lodge, die Umgebung und die Freizeitmöglichkeiten anhören, dazu einen Blick in den Garten werfen und auf die Vulkane Tenorio und Miravalles in der Ferne. Dass deren Umrisse hinter Nebelwolken kaum zu erkennen sind, stört die junge Angestellte dabei wenig; sie spult weiter ihr Informationsprogramm ab. 

 

 

 

Erst beim Stichwort "Essen" höre ich wieder zu. Frühstück gibt's von 7 bis 9, Mittagessen von 12 bis 14 Uhr, und das Abendessen wird um 19 Uhr gemeinsam eingenommen. Es gibt ein feststehendes Menü, und wir müssen uns sofort entscheiden, ob wir den Fisch zum Hauptgang essen können oder unbedingt etwas Anderes haben müssen. Vegetarisch ist kein Problem. Auch haben wir die Wahl zwischen Weißwein oder Rotwein; ansonsten gibt's nur das Wasser aus der eigenen Quelle und frisch gepressten Saft. Den ganzen Tag über steht Kaffee in einer großen Thermoskanne zur Verfügung, und um 22 Uhr wird das Licht ausgemacht.

Ich komme mir vor wie in einer Jugendherberge der 1960er Jahre (ok, bis auf den Wein!), und dieser Eindruck verstärkt sich noch, als ich über die langen Tischreihen und die Bänke des Speisesaals schaue.

 

Aber ich muss gestehen: eigentlich ist dieser offene Speisesaal mit der großen Fensterfront zum Garten und dem dahinterliegenden Regenwald sehr schön, und das Essen, das Eric mit einem gut eingespielten Team aus dem benachbarten Bijagua in seiner offenen Küche zubereitet, ist lecker. Tica-Fusionsküche vom Feinsten, serviert von Joel, dem Gründer der Lodge, und seiner Frau Selma. Schon beim ersten Abendessen genieße ich die familiäre Atmosphäre.

 

Die Lodge verfügt über insgesamt 7 Hektar Land und einen eigenen, knapp zwei Kilometer langen Wanderweg durch den tropischen Regenwald, in dem es Affen geben soll, viele Vogelarten, Schmetterlinge und sogar einen Tapir. Um Tiere zu sehen, haben wir jedoch einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt gewählt, denn kurz vor uns sind unsere Mitbewohner aufgebrochen, eine große Gruppe französischer Touristen, die jetzt laut redend und lachend vor uns durch den Wald stapfen. Keine Chance, ein Tier zu sehen. Aber die Flora in ihrer Vielfältigkeit, mit ihren Moosen und Flechten und mit jahrhundertealten Bäumen entschädigt uns. Und später das Dinner, das Eric und seine Mädels wieder zaubern: wunderbare, mit Mango gefüllte Zucchini und anderes Gemüse, serviert auf einem Bananenblatt. 

       

 

Am nächsten Tag machen wir uns auf, um den Tenorio Nationalpark zu erkunden. Dafür, dass er "abseits der üblichen Touristenpfade" liegen soll, ist er bereits am frühen Morgen gut besucht. Unzählige Wanderwillige stehen Schlange an der Taschenkontrolle und vor dem Ticketschalter und lassen sich mit billigen Regenmänteln ausrüsten. In Gelb, Lila, Blau und Rot sind sie dann nicht mehr zu übersehen; kleine wandernde Blumen im immergrünen Regenwald.

Das Wetter ist gut, und schon in unseren Regenjacken fühlen wir uns leicht overdressed. Aber diesmal wollten wir vorbereitet sein; ich habe sogar einen Regenponcho in meinen kleinen Rucksack gepackt.

 

Der türkisfarbene Rio Celeste, der durch den Nationalpark fließt, verdankt seine Farbe einer Kombination aus Schwefel und Kalziumkarbonat, habe ich gelesen. Ein insgesamt 6 Kilometer langer Wanderweg führt zu ihm, zu heißen Quellen, zu Lagunen und Aussichtspunkten. Die Hauptattraktion jedoch ist der 30 Meter hohe Wasserfall, zu dem 200 Stufen hinab- und wieder hochführen.

 

 

Der Pfad wird immer ungemütlicher, während wir uns dem Wasserfall nähern. Baumwurzeln versperren uns den Weg, und wir müssen auf wackeligen Steinen über Rinnsale balancieren und durch Schlammpfützen waten. Unerwartet fängt es an zu regnen. Erst nur ein bisschen, aber dann macht der Regenwald seinem Namen alle Ehre und schüttet das Wasser wie mit Eimern über uns aus. Bis ich meinen Poncho ausgepackt, auseinandergefaltet und angezogen habe, bin ich schon durchnässt. 

Trotzdem sind wir tapfer, kämpfen uns zum Wasserfall durch und dann über ausgewaschene Stufen weiter den Berg hoch, weil wir wenigstens noch zum nächsten Aussichtspunkt kommen wollen.

Sturzbäche kommen uns entgegen – und zum Glück auch ein englisches Ehepaar, das am Aussichtspunkt war und berichtet, vor lauter Nebelwolken sei dort oben nichts zu sehen. Also kehren auch wir um und schauen zu, dass wir schnell wieder in unsere gemütliche Lodge kommen.

 

Heiße Dusche. Umziehen. Mittagessen. Unsere nasse Wanderkluft geben wir in die Wäscherei, da brauchen wir uns wenigstens nicht ums Trocknen kümmern.

Um 14.40 Uhr schreibe ich in mein Reisetagebuch: "Und jetzt auf dem Bett. Lesen, Musik, schlafen … gemütlich, wenn's dabei draußen regnet und die Brüllaffen brüllen."

 

Damit haben wir die Hälfte unserer Reise hinter uns, aber es liegen auch noch weitere zwölf wunderbare und spannende Tage vor uns.         

 

 

Fortsetzung > > > 


... und hier ist Platz für Eure Kommentare und Anmerkungen:

Kommentare: 5
  • #5

    Wilfried Hofmann (Samstag, 12 November 2022 08:37)

    Lieb Beate,
    lange nicht rein geschaut. Danke für deine Nachricht. So habe ich zum Glück den Costa Beitrag lesen können. Baumhaus einfach nur geil. Auch sonst schöne Fotos + Zeilen.
    Du warst auf Tour + dies freut mich besonders.
    LG, Wi

  • #4

    Daniela (Montag, 23 Mai 2022 22:10)

    Hallo liebe Beate,
    jetzt, wo der zweite Teil Deines Berichtes da ist, fange ich mit Teil 1 an. Das hat den Vorteil, dass ich nicht so lange auf die Fortsetzung warten muss. Ich habe Tränen uber die Briefmarken gelacht und fand Dein Foto von dem Rotaugenfrosch einfach nur gelungen. Vielen Dank für Deinen Bericht...ich habe fast das Gefühl, dabei gewesen zu sein! LG Daniela

  • #3

    Astrid (Mittwoch, 11 Mai 2022 07:52)

    Du Glückliche! Bei einem Pott Gepa-Kaffee habe ich mir Deine kulinarischen Highlichts reingezogen - Cola mit Chips. :-) Vor Reiselust geschmolzen bin ich bei der Beschreibung des Baumhauses und den abenteuerlichen Anreisewegen. Costa Rica ist Dank Deines Berichts auf meiner Wunschliste wieder ganz nach oben gerückt und ich hoffe auf den zweiten Teil! Un abrazo, Astrid

  • #2

    Jutta Dotzler (Montag, 09 Mai 2022 12:50)

    Muchisimas gracias! Da hatte ich doch eine kurzweilige und exotische Mittagspause dank deines interessanten Reiseberichts. Ich warte gespannt auf den 2. Teil . Tu hermana Juanita

  • #1

    Anita Förnges (Sonntag, 08 Mai 2022 14:19)

    Liebe Beate,
    gerade habe ich mir Deinen Costa Rica Reisebericht genüsslich durch gelesen. Fazit: Da wäre ich unheimlich gerne dabei gewesen!!! Was für ein tolles Land, welch phantastischen Eindrücke, welch ein wirklich lebendiger Bericht! Ich freue mich riesig auf Teil2
    Mach*s gut!
    LG
    Anita